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"Frei?" von Marina Maul
Frei?
In unserer modernen westlichen Gesellschaft gab es nie ein größeres Maß an Freiheit. Wir können wählen - zwischen den Berufen, den Lebenskonzepten, zwischen all den Konsumgütern, die uns der Supermarkt in der Nachbarschaft oder der globale Internetmarkt zu bieten haben. Doch wie frei sind wir dabei?
Wir füllen unsere Leere durch Konsum. Wir kaufen, wollen haben und besitzen. Und das sofort. Werbepsychologische Mechanismen erzeugen neue Bedürfnisse, die es zu erfüllen gilt. Ein Klick und das neue Gut steht in wenigen Tagen vor der Tür. Wir definieren uns durch das, was wir haben, nicht was wir sind. Fromm nennt dies den „Haben-Modus“, der von der spätkapitalistischen Gesellschaft gefördert wird und zu einer Entfremdung von der menschlichen Natur und damit zu Unzufriedenheit führt.
Denn materielle Güter sind endlich und vergänglich, sie können unsere tiefgehenden psychologischen Bedürfnisse nach Verbundenheit und Zugehörigkeit nicht erfüllen.
Erich Fromm fordert uns in dem Text „Vom Haben zum Sein“ von 1989 (erschienen als Nachfolger des Bestsellers „Haben oder Sein“ von 1976) dazu auf, in den „Sein-Modus“ zu kommen. Man solle das eigene Selbst mit seinen individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten erkennen. Laut Fromm sind die gesellschaftlichen Verkettungen zu hinterfragen. Zu sein, bedeute in tiefe Verbundenheit mit sich selbst und anderen zu gehen und sich der eigenen schöpferischen Kraft bewusst zu werden.
In Auseinandersetzung mit dem oben genannten Text von Erich Fromm ist diese mehrteilige Mixed-Media-Installation entstanden. Die zwei schwarz-weißen Doodle-Art-Bilder reflektieren durch eine chaotische und überreizte Aneinanderreihung von Symbolen, Figuren und Schriftzeichen Themen wie Identität und Konsumgesellschaft. Sie fragen nach dem, wie wir unser Leben und unsere Zeit gestalten wollen, was wir brauchen und was wir sind. Das Foto der in Ketten gelegten Puppe deutet die inneren Ketten an, die es zu überwinden gilt. Die Porträtzeichnung eines Menschen mit intensiven und lebendigen Farben und Linien stellt eine introspektive und emotionale Auseinandersetzung mit dem Selbst dar. Die verzerrten und vielschichtigen Farblinien symbolisieren die veränderte Wahrnehmung und das tiefere Verständnis der eigenen Identität.
Marina Maul
Marina Maul studiert Pädagogik im Fach-Bachelor an der Carl-von-Ossietzky Universität in Oldenburg. Derzeit schreibt sie ihre Bachelorarbeit zum Thema kulturelle Teilhabe in der Jugendsozialarbeit mit einem Klassismus-kritischen Fokus.
„Der Mensch [kann] auch ohne Ketten ein Sklave sein.“
„Mit der Illusion frei zu sein, gefangen leben.“
Aus: Erich Fromm, Vom Haben zum Sein, Wege und Irrwege der Selbsterfahrung (Schriften aus dem Nachlaß, Band 1), hrsg. v. Rainer Funk, Weinheim und Basel (Beltz-Verlag) 1989.
„Aber wie kann er sich von den Ketten befreien, derer er sich nicht einmal gewahr ist?“
Aus: Erich Fromm, Vom Haben zum Sein, Wege und Irrwege der Selbsterfahrung (Schriften aus dem Nachlaß, Band 1), hrsg. v. Rainer Funk, Weinheim und Basel (Beltz-Verlag) 1989.
„Die inneren Ketten verstehen.“
Aus: Erich Fromm, Vom Haben zum Sein, Wege und Irrwege der Selbsterfahrung (Schriften aus dem Nachlaß, Band 1), hrsg. v. Rainer Funk, Weinheim und Basel (Beltz-Verlag) 1989.